Südseeträume

Es gibt so viele Assoziationen bei dem Wort „Südsee“, das lange Zeit Inbegriff des exotischen Fernwehs war,  und jeder stellt wahrscheinlich etwas anderes in den Vordergrund: Palmen, Sandstrände, Wärme, Atolle und Korallenriffe, Gauguin, die Meuterer von der Bounty, Kreuzfahrt auf dem Traumschiff, Inselstaaten mit schwer merkbaren Namen, Atombombenversuche auf dem Bikini- und Mururoa-Atoll, Taifune, versinkendes Land in der Klimakatastrophe....., nicht nur Träume, auch Albträume.

Die Südsee war wohl das entfernteste und unwahrscheinlichste Reiseziel meiner Kindheitsträume, und so lag es nahe, einen Zwischenstopp bei unserer Erdumrundung einzuplanen. Zudem würde die Flugzeit von Honolulu nach Auckland neun bis zehn Stunden betragen, und so ist eine Unterbrechung willkommen. Wir dachten an Samoa, Fidschi, Tonga, die Cook-Inseln, stellten fest, dass das „Around-the-world-Ticket1“ in der gesamten Region Lücken hat und entschieden uns letztlich für Fidschi, weil die möglichen Reisetermine am besten in unser Gesamtkonzept passten.

Die lange Nacht auf dem Flughafen von Honolulu habe ich im Abschnitt über Hawaii geschildert.

Nun sind wir in der Luft, müde, können auch etwas schlafen. Wann wir die fiktive Linie der Datumsgrenze überqueren, bleibt unklar. Jedenfalls sind wir am Sonntag morgens um um kurz vor drei gestartet und landen nach nicht ganz sieben Stunden Flugzeit am Montag früh um 8°°! - Wieder habe ich einen Fensterplatz, was in den Wachphasen zunächst aber nur den Blick in die Dunkelheit bedeutet, erst während der letzten zwei Stunden sehe ich Wolken, die langsam von der Sonne beschienen werden - bezüglich des Sonnenaufgangs sitzen wir auf der falschen Seite – und dann: der offene pazifische Ozean, tiefblau, gesprenkelt mit mehr oder weniger kreisförmigen Atollen, die eine Lagune in verschiedenen Türkistönen umschließen. Im weiten Bogen über die Hauptinsel Viti Levu,  einzelne Gehöfte an den Hängen grüner Hügel, und die Wege verlaufen fast immer direkt auf den Kämmen.

So landen wir in Nadi (sprich Nandschi), dem wichtigsten Flughafen der Inselgruppe. Er befindet sich aus Witterungsgründen hier an der Leeseite, weil im Gebiet der Hauptstadt Suva viel häufiger schlechtes Wetter herrscht. Das Aussteigen dauert wie immer etwas länger: Ist eigentlich kein vernünftiges System zum Betreten und Verlassen eines Flugzeugs denkbar oder scheitert jeder Versuch an der Unvernunft der Passagiere? Am Zoll bzw. bei der Grenzkontrolle geht es schnell; da wir aber dennoch den Termin für den Transfer zum Hafen nicht einhalten können, telefoniert eine freundliche Polizistin für uns mit der Agentur, und alles ist geregelt. Zur Begrüßung mit der obligatorischen Formel „Bula!“ hängt uns eine nette Dame Muschelketten um, dann kommt der Taxifahrer, und es geht in angenehm ruhiger Fahrt im Linksverkehr nach Port Damarau: Geschwindigkeitskontrollen seien häufig und der Führerschein seine Lebensgrundlage. Er ist bei einer Gesellschaft angestellt, der Verdienst sei nicht üppig, das Leben trotz der freien gesundheitlichen Basisversorgung und des ebenfalls unentgeltlichen Schulbesuchs recht teuer.

Der Mann hat indische Wurzeln, seine Familie lebt aber seit über 100 Jahren hier. Ethnische Konflikte, von denen ich gelesen habe, weist er weit von sich: „we are all Fijians!“ 2. Vor dem Abflug lernen wir in der Hotelhalle später einen anderen Indo-Fijian kennen, der Spenden für seine Tochter sammelt, die in Mumbay an einem Schilddrüsen-Ca operiert werden soll, was im Land nicht möglich und in Australien oder Neuseeland noch teurer sei. Tiefer in diese Probleme eingedrungen sind wir angesichts der kurzen Dauer und der Art unseres Aufenthalts nicht.


Nun haben wir ein paar Stunden Zeit, bis der Schnellkatamaran uns zum Schiff „Fiji Princess“ bringen wird3. S. hat nämlich eine viertägige Kreuzfahrt in den Katalogen des Reisebüros gefunden! Dort brauchen wir sicher nicht all unser Equipment, außerdem sind Schiffskabinen meist nicht sehr geräumig, und so packen wir schon wieder um, diesmal auf einer Parkbank vor dem Hardrock-Cafe, und reduzieren die Gepäckstücke von 4 auf 2. Dann geben wir sie zum Transport bzw. zur Aufbewahrung ab und haben uns das kühle Getränk in eben diesem klimatisierten Lokal reichlich verdient. So fühlen sich also die Tropen an! Wir sind gespannt, denn unsere maritimen Erfahrungen beschränken sich auf Fähren (u.a. von Dänemark nach Island) und Ausflugsschiffe.

Der Schnellkatamaran scheint wirklich über das recht ruhige Wasser zu fliegen. Außer uns sind noch drei weitere Paare aus Schottland, Neuseeland und der Schweiz dabei. Wir werden mit Getränken und frischen Früchten versorgt, sehen an Steuerbord die immer weiter sich entfernende Küste von Viti Levu und an Backbord einzelne kleine waldbedeckte Felsinseln. Nach einer Stunde kommen wir in einer Bucht der Sacred Islands an, wo die Fiji Princess auf uns wartet. Kaum sind wir an Bord, schwimmt eine Gruppe von drei oder vier Haien ein paar mal unglaublich schnell um das Schiff.

Wir werden sehr freundlich empfangen, die beiden Koffer sind schon in der Kabine, die übrigens gar nicht so eng ist, wir essen und trinken eine Kleinigkeit, und gleich startet der erste Badeausflug. Das Beiboot bringt uns über die Bucht zu einem Strand vor einem natürlich gewachsenen Palmenwald, aus dem je nach Phantasie die Meuterer der „Bounty“, die Jugendbande aus dem „Lord of the Flies“ oder eine Gruppe Insulaner herauskommen könnten. Das Wasser ist selbst für meine Verhältnisse angenehm warm, der Sand fast zu heiß.

Dann lichtet die „Fiji Princess“ den Anker und fährt nach Norden. Die Namen der Inseln, Buchten und Dörfer sind Schall und Rauch und sagen kaum dem etwas, der selbst schon dagewesen ist. Ein Platz ist schöner als der andere, wir haben Muße zum Lesen, Träumen, Dösen, ob an Deck oder einem der Strände. Es gibt ein Tagesprogramm, völlig ohne Stress und freiwillig. Natürlich sind da Rahmen für die Essenszeiten und Vorgaben, wenn man an einem der Ausflüge teilnehmen will, z.B. beim Schnorcheln.

Von den über 60 Plätzen sind nur 23 belegt. Die Kreuzfahrt war offensichtlich nicht ausgebucht, und es gab wohl noch einige Stornierungen wegen eines Zyklons, der in der Woche zuvor durchgezogen war, wovon wir nichts mitbekommen hatten. So findet sich eine angenehme Gesellschaft ohne Snobs, Nörgler und andere Außenseiter, international bunt gemischt, mit leicht deutschem Übergewicht (sieben Personen), was ganz atypisch für die sonstige Verteilung der Fidschi-Touristen ist. Je zwei Paare kommen aus dem Vereinigten Königreich, den USA und Schweden, je eines aus der Schweiz und Neuseeland. Wir lernen die meisten näher kennen, führen interessante Gespräche vor allem mit T., einer Londoner Rechtsanwältin, die als Tochter des Botschafters von Bangladesch in Bonn aufgewachsen ist.

Das Essen ist gut, regional geprägt, reichlich. Gefiltertes Wasser und nicht alkoholische Getränke sind kostenlos. Zweimal gibt es wirklich lokales Essen: Wir sind in einem Dorf eingeladen und werden dort bekocht, vor allem mit Gemüse und Meeresprodukten, frisch geerntet bzw. gefangen. Diesbezüglich sind die Dorfbewohner weitestgehend Selbstversorger. Aufgrund der langen Transportwege können sie etwaige Überschüsse aber auch kaum auf Märkte bringen. Der Verkauf von Handarbeiten an Touristengruppen wie die unsere ist eine anscheinend wichtige Einnahmequelle, desgleichen folkloristische Tanzvorführungen. Das andere Abendessen bereitet die Besatzung, aber nicht in der Kombüse, sondern in der traditionellen Erdofen-Methode, die wir schon in Hawaii  (und ich in der jordanischen Wüste) kennengelernt hatten.


Natürlich gibt es abends auch Unterhaltungsprogramme mit freiwilliger Beteiligung, z.B. ein Musikquiz, an dem 4 Gruppen teilnehmen. Eine Jury aus den Crewmitgliedern vom Kapitän über die  Schnorchellehrerin bis zum Koch bewertet die Antworten und die dazugehörigen Tanzdarbietungen. T. erkennt meist schon nach wenigen Takten alle Songs, und den Ausschlag für unseren Sieg gibt dann angeblich die Tanz-Performance! Wer hätte das gedacht! Die gewonnene Flasche Sekt leeren wir zusammen am letzten Abend. - Eine Besonderheit ist auch eine Filmvorführung direkt am Drehort. Das Melodrama „The Blue Lagoon“ u.a. mit Brooke Shields wurde 1980 hier und ausnahmsweise nicht im Studio produziert.

Schnorcheln an einem Korallenriff übt eine ungeheure Faszination aus. Auch als lausiger Schwimmer kann ich mich da mehr als eine halbe Stunde treiben lassen, die bunten Fische beobachten, gefahrlos über einen am Grund dösenden kleineren Hai hinweg schwimmen und die Farben- und Formenvielfalt der Korallen bewundern. Sie sehen aus wie Baumpilze, wie die Hirnoberfläche, ähneln kleinen Bäumchen oder bilden ein filigranes Netzwerk mit Geweihstrukturen. Die Farbpalette geht von Braun über Orangerot bis zu Blau. Mancherorts sind sie zerstört, angeblich durch den vor Wochenfrist vorbeigezogenen Taifun. Ob unsere Enkel ein solches Schauspiel auch noch werden genießen können? Ein Meeresbiologe erklärt uns die weltweite Bedrohung, die an einigen Stellen durch Umweltverschmutzung und Klimaveränderungen bereits weit fortgeschritten sei. Auch S. versucht sich erstmals im Leben in diesem Sport und ist begeistert. Selbst ein Mitreisender, der Nichtschwimmer ist, kann unter Mithilfe von Freunden und den Guides das Erlebnis genießen.

Eine besondere Art des Tauchens lernen wir in der Kalksteinhöhle Sawa-i-Lau kennen. Diese besteht aus zwei hohen Domen und hat Verbindung zum Meer. In die erste Halle fällt noch Tageslicht, die zweite wäre ohne die starken Lampen der Begleiter stockdunkel. Um dorthin zu gelangen muss man ungefähr fünf Meter weit tauchen. Die Verbindung ist kein Siphon und auch nicht besonders eng, aber es erfordert für uns Ungeübte durchaus Überwindung. Die Begleiter sind natürlich nah dabei und leisten nötigenfalls Hilfestellung. Nach diesem kleinen Abenteuer fahren wir im Beiboot vorbei an bizarren Lavafelsen, so scharfkantig, dass schon das Hinschauen schmerzt.

Die „Blue Lagoon Cruises“ sind ein von Einheimischen betriebenes Unternehmen, und die ganze Mannschaft besteht aus Fidschianern. So erhalten wir authentische Erklärungen und haben auch Gelegenheit, ein wenig vom Alltagsleben zu sehen. Wir besuchen ein Dorf, das aber nicht mehr aus traditionellen Hütten besteht, sondern mit modernen Baustoffen gebaut ist. Die Stromversorgung erfolgt über Sonnenenergie, für den Notfall gibt es auch ein Dieselaggregat. Wasser wird in großen oberirdischen Zisternen gespeichert.

Der Besuch beginnt mit einer Kava-Zeremonie, bei der die Dorfältesten und der Anführer der Besuchergruppe (der dazu vorher bestimmt werden muss, meist ein hochgewachsener Mann) aus flachen Schalen das graubraune Getränk trinken. Es wird hergestellt aus dem zu einem feinen Pulver zerriebenen Wurzelstock der Kava-Pflanze (Piper methysticum), das mit Wasser aufgegossen wird, schmeckt etwas bitter und hinterlässt ein leichtes Kribbeln auf der Zunge. Der Genuss von Kava ist im ganzen pazifischen Raum weit verbreitet und beispielsweise auch in den USA als Nahrungsergänzungsmittel zugelassen. Da es eine gewisse angstlösende und beruhigende Wirkung hat, wurde es in Deutschland als Psychopharmakon eingesetzt, nach einer Reihe zum Teil tödlicher Leberschädigungen aber 2002 wieder vom Markt genommen. Nach neueren Untersuchungen spricht viel dafür, dass für diese Nebenwirkung Stereoisomere der synthetisch hergestellten Droge verantwortlich waren, die in der  Pflanze selbst nicht vorkommen4.

Leider haben wir die in einer Art Sprechgesang vorgetragenen Texte nicht verstanden und bekamen sie auch nicht übersetzt. Es sind wohl rituelle Beschwörungen. Die Männer der Crew haben übrigens abends am Strand manchmal Kava getrunken, sich dabei aber nur unterhalten.

Wir konnten auch eine Schule besichtigen, in der 6-14-jährige Kinder unterrichtet werden. Vom Niveau her entspricht sie wohl einer Mittelschule; um einen Abschluss zu erreichen, der zum Studium berechtigt, müssen die Jugendlichen danach in Internate auf der Hauptinsel wechseln.

Auch diese Schule, großzügig angelegt, mit Sportplätzen und selbst bewirtschafteten Gärten, ist zum Teil eine boarding school, da die Wege für eine tägliche Heimkehr viel zu lang wären. Nur die Schüler aus nahegelegenen Dörfern kommen jeden Tag zu Fuß oder mit dem Boot.

Der Unterricht wird in Englisch und in Fidschi erteilt, wobei beide Amtssprachen für die Kinder zunächst fremd sind, da sie mit Dialekten aufwachsen. Das Englisch erscheint mir sehr gut, und einige der Mädchen und Jungen, mit denen ich gesprochen habe, wollen den oben beschriebenen Weg zur Erlangung einer akademischen Ausbildung einschlagen. Mein Haupteindruck war, dass den meisten Kindern der mögliche Wert von Bildung sehr bewusst ist. Das wurde auch von den Lehrern bestätigt. Auf den Hauptinseln gibt es auch viele Schulen, in denen teilweise in der dritten Amtssprache gelehrt wird, nämlich in  Fidschi-Hindi.

Man kann in den Dörfern überall fotografieren, aber es gibt Kleidervorschriften für die Gäste! Frauen sollen die Schultern bedecken und Männer einen „sulu“ genannten Sarong tragen. Diese Bräuche gehen wohl auf die Missionare zurück, die seit Beginn des 19. Jahrhunderts der indigenen Bevölkerung diverse Varianten des Christentums beigebracht haben. Als ihren Verdienst rechnen sich die Kirchen das Verschwinden des Kannibalismus an. Dieser bezog sich wohl ausschließlich auf in den vielen Stammesfehden getötete Feinde und hatte nicht das Ausmaß, das Schilderungen der Kirchenleute aus dieser Zeit vermuten lassen. Die Berichte dienten wahrscheinlich auch dazu, Interventionen der europäischen und amerikanischen Herkunftsländer zu erreichen und zu rechtfertigen. Fidschi war von 1874- 1970 englische Kolonie, und die Unterwerfung besonders der im zentralen Hochland lebenden Stämme war mit einigen Massakern verbunden. Hilfreich für die Kolonialherren war dabei wie in Australien eine Polizeitruppe, die aus Eingeborenen rekrutiert wurde. Übrigens starben um 1880 auch über 50 000 Fidschianer an den möglicherweise nicht ganz zufällig eingeschleppten Masern!

Solche Informationen und das schon zitierte Gespräch mit dem Tongaer auf dem Flug nach Hawaii brachten mich darauf, die Kolonialgeschichte Ozeaniens etwas näher zu betrachten. Der Mann hatte nämlich gesagt, Tonga sei als einzige Insel der Region niemals Kolonie gewesen. Da eine andere Aussage hinsichtlich der Einwohnerzahl seines Heimatlandes sich als grotesk überschätzt herausstellte, war ich zunächst einmal skeptisch, stieß dann aber auf viel Interessantes und auch Skurriles.So hatte der König von Tonga 1876 einen Freundschaftsvertrag mit dem Deutschen Reich abgeschlossen, der den Flotten beider Länder die gegenseitige Benutzung ihrer Häfen gestattete!5 1900 wurde der Archipel (auf alten Karten Freundschaftsinseln genannt) britisches Protektorat, blieb aber bis zur vollständigen Unabhängigkeit 1970 innenpolitisch unabhängig. Tonga ist die einzige konstitutionelle Erbmonarchie im pazifischen Raum, was zu komplizierten staatsrechtlichen Fragen im Rahmen der Commonwealth-Mitgliedschaft führt.

Die pazifischen Inseln waren in mehreren Etappen über tausende von Jahren hinweg von Südchina bzw. Südostasien aus besiedelt worden. Darauf werde ich im Rahmen unserer Neuseelandreise etwas näher eingehen. In das Blickfeld der Europäer kamen sie dann im 16. Jahrhundert durch die Weltumsegelungen von Magellan und Francis Drake sowie weitere spanische Expeditionen. Es ging dabei vor allem um das Erreichen der Gewürzinseln (Molukken) im heutigen Indonesien, wohin aus westlicher Richtung schon Araber und Portugiesen gelangt waren. Die „entdeckten“ Inseln, deren genaue Lage oft wieder in Vergessenheit geriet, dienten als Stationen zur Aufnahme von frischem wasser und Lebensmitteln, wobei die Kontakte mit den Einheimischen oft nicht friedlich verliefen.

Das blieb auch so, als im 17. Jahrhundert holländische (wie Abel Tasman) und im 18. auch französische (wie Louis Antoine de Bougainville) Seefahrer in diese Weltgegend kamen. Es fanden in dieser Zeit zunächst kaum Kolonisierungsversuche statt, da es keine offensichtlichen Bodenschätze gab, die Bevölkerung sich nicht gewinnbringend versklaven ließ und die Transportwege zu weit waren. Allenfalls wurden später Stationen von Walfängern und Robbenjägern eingerichtet. 1788 begann die britische Besiedlung Australiens mit der Einrichtung von Strafkolonien.

1842 stellte Frankreich erste Ansprüche auf bestimmte Inselgruppen (Tahiti und die Gesellschaftsinseln) – und ist heute die einzige verbliebene europäische Macht in der Region (Neukaledonien, Wallis und Futuna sowie Französisch-Polynesien). Briten, Amerikaner und Deutsche teilten die anderen Inselgruppen untereinander auf, wobei sie sich euphemistisch z.T. als Schutzmächte bezeichneten. Das Deutsche Reich kaufte nach dem spanisch-amerikanischen Krieg 1899 den Spaniern die letzten Teile ihrer dortigen Besitzungen ab, um im ersten Weltkrieg all diese Gebiete wieder zu verlieren. Sie wurden nun Völkerbundsmandate unter der Herrschaft Neuseelands, Australiens bzw. Japans.

Im 2. Weltkrieg spielten sich in Teilen Ozeaniens die Schlachten zwischen Amerikanern und Japanern ab, später erlangten das Bikini-Atoll und Mururoa traurige Berühmtheit als Testgebiete für Atom- und Wasserstoffbomben. Ab den 60-er-Jahren konnten immer mehr dieser Archipele ihre Unabhängigkeit erlangen, es bildeten sich Staaten wie u.a.  Kiribati,  Vanuatu und Tuvalu, und neben den erwähnten französischen „Collectivités d´outre-mer“ gibt es als nicht selbstständige Gebiete noch amerikanische Besitzungen wie Amerikanisch-Samoa und Guam bzw. selbstverwaltete Inselgruppen mit außenpolitischer Repräsentation durch Neuseeland wie Tokelau, Niue und die Cook-Inseln.

Beim Abschiedsfest auf dem Oberdeck stören gelegentliche Regenschauer. Ein Besatzungsmitglied erzählt, dass Chinesen versuchten, ganze Inseln aufzukaufen, um dort Ressorts zu bauen. Dabei sprengten sie bedenkenlos Korallenriffe. Bezahlt werde grundsätzlich in bar, auch gigantische Summen; also handelt es sich um Schwarzgeld und Geldwäsche. Neue Gesetze und Kontrollmaßnahmen sollen das einschränken bzw. verhindern.

Als ich in den frühen Morgenstunden über Deck gehe, holt mich der Kapitän auf die Brücke. Eine gute halbe Stunde fragt er mich über Deutschland aus. Vor dem Verlassen der „Fiji Princess“ verabschiedet uns die ganze Mannschaft mit einem Lied und viel Händeschütteln. Corona ist noch kein relevantes Thema!

Vonin Port Damarau nehmen wir wieder ein Taxi, diesmal zum Flughafenhotel. Der jüngere Fahrer kommt von der zweiten Hauptinsel Vanua Levu und erzählt, dass seine Mutter sich Sorgen mache, weil er noch nicht verheiratet sei. Sie sage, dass man, wenn man einen Bus verpasst habe, den nächsten nehmen solle; er aber habe schon mindestens vier Busse abfahren lassen!

Ein wichtiges und unverfängliches Gesprächsthema ist wie fast überall der Sport. Fidschi hat 2016 seine erste olympische Goldmedaille gewonnen, und zwar im 7-er Rugby. Rugby wird sehr viel gespielt, und die besten Akteure sind in den weltweiten Profiligen tätig, arbeiten also vor allem in Neuseeland, Australien, England usw. Zumindest aus unserer Sicht und vom Körperlichen her ist der Unterschied zum American Football nicht so groß, und so gibt es in der NFL nicht wenige polynesische Spieler.

Nach Einchecken und Zimmerbezug vermittelt uns die Rezeption das nächste Taxi, diesmal für eine kleine Besichtigungstour. Zuerst geht es zum hinduistischen Sri Siva Subramaniya Temple. Das Bauwerk ist farbenfroh, reich verziert mit Statuen und allegorischen Figuren. Der Tempel ist 1986 fertiggestellt und 1994 geweiht worden. Er ist im südindischen dravidischen Stil erbaut. Mangels wirklichen Wissens über den Hinduismus und seine vielen Varianten können wir nur optische Eindrücke aufnehmen. So mag es einem nicht mit christlichen Traditionen vertrauten Menschen beim Betrachten gotischer Kathedralfassaden oder barocker Deckenmalereien gehen.

Familien stellen Opferschalen mit Früchten an bestimmten Stellen ab, es ist sehr ruhig. Die wenigen Innenräume dürfen weder wir noch die Gläubigen betreten, sie sind den Priestern vorbehalten. Auch gibt es gewisse Kleidervorschriften: das Tragen unserer Sarongs ist kein Problem, wohl aber das barfüßige Überqueren glühend heißer Betonwege!

In Bali wollten wir uns mit dieser drittgrößten Weltreligion näher beschäftigen, aber wegen der Pandemie musste das bekanntlich ausfallen. Gelernt haben schon, dass sich die meisten hinduistischen Strömungen nicht als polytheistisch verstehen, wie es bei uns wahrgenommen wird, sondern die vielen anderen Götter jeweils Inkarnationen des obersten Gottes sind. In Bezug auf Bali ist diese Definition sehr wichtig, weil die indonesische Verfassung nur monotheistische Religionen erlaubt.

Dann geht es zum „garden of the sleeping giant“. Dieser tropische Landschaftspark mit schönen Wegen und einer Vielzahl von Orchideen heißt nach dem Berg, an dessen Hang er liegt. Es sind kaum andere Besucher da, wir können die Vogelstimmen, das Plätschern der Bachläufe, das Rauschen der Blätter und die vielen neuen Bilder ungestört auf uns einwirken lassen.

Schließlich bringt unser Fahrer uns wieder zurück ins Hotel. Die mehrstündige Tour mit einer Fahrtstrecke von ca. 50 km kostet umgerechnet 40€. Übrigens überqueren wir des öfteren unbeschrankte Bahnübergänge, aber Züge verkehrten hier nur zur Zeit der Zuckerrohrernte.

Wir ruhen uns aus, präparieren die Schuhe und Wanderstöcke für die Einreise nach Neuseeland, flanieren durch die Anlage und trinken einheimischen Rum. Dem ständig brummenden Kühlschrank, den wir wir den wir ja nicht benötigen, ziehen wir den Stecker und haben so eine ruhige Nacht. Frühstück in einem Atrium, letzte Formalitäten und erneute kurze Taxifahrt zum Flughafen. Dort bekommen wir auch Briefmarken für die Ansichtskarten an die Enkel und finden sogar einen Postkasten. Ob die Empfänger solche Post aber noch als etwas Besonderes und Exotisches empfinden, bleibt dahingestellt. Wahrscheinlich sind das unsere eigenen Projektionen.

Pass- und Sicherheitskontrollen sind korrekt und unkompliziert, der Wartebereich ist bequem, bietet  Aussicht auf den „Schlafenden Riesen“ und die anderen Berge, und dann heben wir ab Richtung Neuseeland.




1Der Flug von Honolulu nach Nadi kostete knapp ein Drittel des gesamten „Around-the-world-Tickets“. Allerdings hätte man ohne Aufpreis mit diesem Ticket  von Honolulu nach Auckland, von dort nach Nadi und dann wieder nach Auckland fliegen können!

2Dass dies nicht so einfach ist, belegen Diskussionen, ob der Begriff sich auf die Staatsbürger im Ganzen oder nur auf die „alte“ indigene Bevölkerung beziehe. Die jüngere Geschichte ist voll von Konflikten, Staatsstreichen und Verfassungsänderungen. In den Abschnitten 2.8 und 8.4 des englischen wikipedia-Beitrags ist dies genauer nachzulesen (https://en.wikipedia.org/wiki/Fiji).- Die Inder waren als sog. Vertagsarbeiter von den Briten zwischen 1879 und 1916 auf den Archipel gebracht worden ( s.o. Abschnitt 2.7.2) und machen derzeit mehr als ein Drittel der Bevölkerung aus, in Handel und Gewerbe haben sie wohl Schlüsselpositionen inne.

3Näheres zu Schiff und veranstaltendem Unternehmen unter https://www.bluelagooncruises.com/about/our-ship

4https://de.wikipedia.org/wiki/Kava und  Yann Barguil: Etude de trois plantes psychotropes consommées en Nouvelle-Calédonie: kava, cannabis et datura : Aspects médicaux et médico-légaux, S. 16, 19, 36f., 45f., 51ff. (PDF; 2,9 MB) Nouméa : Université de la Nouvelle-Calédonie, 2011. – Dissertation

5 Reichsgesetzblatt 1877, Nr. 1197: Freundschaftsvertrag zwischen Seiner Majestaet dem Deutschen Kaiser, Koenig von Preußen ec. im Namen des Deutschen Reichs, und Seiner Majestaet dem Koenig von Tonga. Vom 1. November 1876. -Wer hätte da wohl wie profitiert? Einzelheiten  siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Freundschaftsvertrag_zwischen_dem_Deutschen_Reich_und_Tonga#cite_note-2 Die Briten waren „not very amused“ und im Samoa-Vertrag von 1899 verzichtete das Deutsche Reich auf Ansprüche. Der Vertrag wurde übrigens 1977 in abgewandelter Form erneuert: Vertrag über freundschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Tonga (BGBl. 1978 II S. 136 )