Heimreise
Als wir vor einer Woche nach Hobart flogen, ballten sich die ersten Gewitterwolken am Corona-Horizont zusammen. Die Reise nach Bali schien zunächst mit erhöhtem Risiko noch möglich, dann war es klar, dass wir wohl einreisen könnten, dann aber nicht mehr aus Indonesien herauskommen würden. Die Reisewarnungen des Auswärtigen Amts waren eindeutig. Also kontaktierten wir das Weinsberger Reisebüro, um die weiteren Schritte zu planen.
Zunächst soll es wie geplant am Donnerstag weitergehen, acht Stunden Transitraum in Singapur, dann über Zürich nach Frankfurt. Der Flug der Swissair ist aber überbucht, und so verschiebt sich alles um einen Tag. An der Hotelrezeption erfahren wir, dass einige Flüge nach Singapur gecancelt worden sind, und lange findet sich unser SQ 228 zwar auf den Webseiten der Airline, aber nicht auf den Abfluglisten des Flughafens. Bange Stunden, das Reisebüro kann auch nicht mehr weiterhelfen, da es ebenfalls keine Verbindung zu den Fluggesellschaften mehr aufbauen kann. Irgendwann taucht der Flug dann aber doch auf.
Wir haben einen Tag mehr in Melbourne, arrangieren zuerst in Ruhe die Koffer, die wir fast aufs Gramm genau auf die erlaubten 20kg bringen. Die Stadt ist ruhiger, Museen etc. sind geschlossen, Restaurants und Cafes aber geöffnet. Wir machen eine zweistündige Flussfahrt auf dem Yarra-River, erst hinunter zum Hafen, dann auch aufwärts vorbei an den Sportstätten wie Rod Laver-Arena, Olympiastadion usw. bis Herring Island. In einem Baum sitzen Schwärme von Kakadus, trainierende Ruderer und Kajakfahrer sind unterwegs. Mancher Blickwinkel ist vom Wasser aus neu und interessant, die Fotos sind trotz des bedeckten Himmels ganz gut. Abens hole ich Nudelgerichte aus einem taiwanesischen Take-away, wir meiden sonstige Kontakte und bleiben im kleinen Hotelzimmer. Wenn man die Vorhänge zuzieht, sieht man wenigstens nicht die nackte Betonwand des Nachbargebäudes.
Die vorgesehene Unterkunft in Ubud stornierten wir selbst, und die Inhaber,die sicher unter großem wirtschaftlichen Druck stehen, erließen uns die Stornogebühren. Das TUI-Büro erreichte dasselbe für das in Singapur geplante Hotel, nur DER-Tours meint vorläufig, dass die Einreise in die Emirate noch möglich sei und stellt sich bezüglich des Hotels in Dubai stur. Das aber ist eine cura posterior, vor allem, wenn man Situation vieler Schicksalsgenossen bedenkt, die wir jetzt getroffen haben. Ein englisches Ehepaar aus Everton z.B. war erst vor wenigen Tagen zum Besuch der Schwester nach Brisbane gereist und muss jetzt wieder heimkehren, auch die geplante Kreuzfahrt um Neuseeland in den Wind schreiben und wohl finanziell auf der Verlustliste buchen. Als wir uns beim etwas chaotischen Einchecken zum letzten Mal gesehen haben, hatten sie zwar die Bordkarten für den Flug von Singapur nach Manchester, nicht aber für die Verbindung von Melbourne nach Singapur.
Auch wir hatten auf dem Flughafen einige bange Momente zu durchleben: Einige Computer behaupteten, dass unser Transit in Zürich nicht möglich sei und daher der gesamte Reiseplan Makulatur. Zuvor hatten wir uns, da schon lange vorher im Terminal angekommen, an den angegebenen Schaltern ganz vorne platziert, um dann mitzubekommen, dass das Einchecken nicht im Bereich F, sondern bei L stattfinden würde. Dort standen wir dann ganz hinten in der Schlange, und der hilfsbereite Mitarbeiter der Singapore Airlines hatte erst einmal auch keine Lösungsidee. Mein Adrenalinspiegel stieg, S. blieb ruhig, und das wirkte sich dann auch auf mich aus. Wir haben jetzt die Bordkarten für alle drei Flüge, das Gepäck wird durchgecheckt, und wir sitzen recht bequem in der 60.Reihe mit einem wunderbaren Fensterplatz und einer netten jungen Schweizerin als Nachbarin, die ihr Studienjahr in Melbourne abgebrochen hat.
Das Taxi zum Flughafen fuhr übrigens ein Mann, der seine Ausbildung als Flaschner und Autolackierer in Nürnberg gemacht hat und dessen Schwester in Nordheim verheiratet ist. Er bewundert Deutsche und Japaner ob ihrer Zielstrebigkeit und ihrer Wiederaufbauleistung nach dem 2. Weltkrieg.
Während ich das schreibe, sind wir hoch über dem Indischen Ozean, Wolken leuchten in der Abendsonne, und bis zur Ankunft in Singapur dürften noch fast drei Stunden vergehen. Für das sehr gute Essen gab es eine Menükarte!
Der Flug quer über Australien war bei fast immer wolkenlosem Himmel ein besonderes Erlebnis. Von Melbourne ging es parallel zur Südküste bis weit westlich von Adelaide, zunächst Weideland, dann erste Salzseen, der Murray-Darling, der längste Fluss des Landes, Die Zeichen für menschliche Anwesenheit nehmen immer mehr ab, vorwiegend Straßen, einige Löcher im sonst unberührten Land, die wohl zu Tagebau-Bergwerken gehören. Die Erde wird röter und röter, gelegentlich felsige Strukturen, Salzseen und dunklere Flächen, wohl Buschwerk, wohl auch ein paar grüne Oasen, außerdem zwei Ansiedlungen mit ein paar Dutzend Häusern. Die erste könnte Alice Springs sein, in jedem Atlas verzeichnet in the middle of nowhere. Die zweite liegt am Fuß einer Bergkette, vielleicht der MacDonall-Range bzw. der Olgas. Der Flugkapitän weißt auf den Uluru (Ayers Rock) hin, aber der ist nur von der Backbordseite aus zu sehen.
Unerklärlich sind mir die fast linearen Strukturen, die von Nordosten nach Südwesten verlaufen, teils als etwas prominente Rippen, meist als Schluchten.In den Salzseen liegen Inseln, die Atollen ähneln, kleinere blaue Wasserflächen kontrastieren mit dem schmutzigen Weiß. Nach über zwei Stunden gibt es wieder Spuren menschlicher Besiedlung, Straßen, an deren Ende man ein Farmhaus vermuten kann.
Wolken zeigen die Nähe des Meeres an, das wir bei Broome erreichen. Sehr breite Sandstrände, dahinter Wälder, eine Flussmündung. Offensichtlich ist gerade Ebbe, größere Flächen liegen trocken und zeigen den Verlauf der Priele.
Schon bevor wir Java sehen, bricht die Nacht herein. Am Äquator ist heute oder morgen Tag- und Nachtgleiche. Auf der Insel viele Lichter, verteilt, z.T, mit eindeutig städtischen Strukturen weisen sie auf die dichte Besiedlung hin. Hier wurden vor fast 100 Jahren Knochenteile des Homo javanensis gefunden, die lange als die ältesten menschlichen Überreste galten, ja sogar als das damals von der Wissenschaft geforderte missing link zwischen Mensch und Affe. Es könnte sein, dass wir auch Bali überfliegen, wo wir jetzt eigentlich sein sollten.
Von Singapur, wo wir jetzt im Transitbereich des riesigen Flughafens sitzen, habe ich beim Anflug einen winzigen Eindruck: beleuchtete Inseln, viele Schiffe, große Autos.