Aufbruch ins Unbekannte oder Hula-Hula und andere Klischees
Pathetische Überschrift, aber immerhin verlassen wir mit dem Abflug von San Francisco erstmals auf dieser Reise uns bekannte Gefilde.
Wir überqueren eine unendliche Wasserfläche, sehen unterschiedliche Wolkenmuster. Bei Tiefblicken mehr als eine Stunde vor der Landung meine ich, dass die Meeresoberfläche seltsame Strukturen zeigt: Der nordpazifische Plastikstrudel?
S. Sitznachbar ist ein freundlicher junger Mann aus Tonga, der allerdings in der Leibesfülle seinem König wenig nachsteht. Er wohnt auf Oahu und konnte uns ein paar Tipps geben.Besonders empfiehlt er den Besuch des Polynesian Cultural Center . Darauf werden wir später zurückkommen.
Oahu versteckt sich ziemlich in tiefhängenden Wolken. Den Mann am AVIS-Schalter interessiert weder unser Voucher noch der Internationale Führerschein, mit dem Auto sind wir zufrieden. Es ist ein Hybrid von Ford. S. navigiert mich mit Hilfe von Frau Google zum gebuchten Appartement in Waikiki. So eine Ankunft bei Nieselregen im abendlichen Halbdunkel, Müdigkeit trotz des Nichtstuns und einige Probleme in der Wohnung machen es schwer, die Seele nachkommen zu lassen.
Unsere erste airbnb-Buchung musste storniert werden, da die Vermieter offensichtlich Probleme mit den Steuerbehörden bekommen hatten, und so waren wir gezwungen, kurzfristig in der Hochsaison nach einer neuen Unterkunft zu suchen. Dies war dann ein von privaten Investoren vermietetes Appartment im 14. Stock eines Hotels.
Nach links geht der Blick über einen kanalisierten Meeresarm auf einen Golfplatz und dahinter – wenn sich die Wolken einmal heben – zu den Bergen, die Honolulu umgeben. Rechts ist zwischen einigen Hochhäusern die Bucht von Waikiki zu sehen, nur einige 100m entfernt. Geradeaus chaotische Bebauung: alte ein- bis zweistöckige Häuser zwischen viel höheren Gebäuden, und auf dem Dach genau gegenüber die Klimaanlage, die einen nicht unwesentlichen Teil zum ständigen Lärmpegel beiträgt, der sich ansonsten aus Straßengeräuschen – besonders Harleys und rückwärts fahrende LKWs - und dem Heulen des starken Windes in der Lüftung der Toilette zusammensetzt.
Wenigstens das Klappern der Wohnungstür kann ich durch Pappdeckeleinschübe abstellen. An Schlaf ist so nur mit Ohrstöpseln zu denken. Die Vermieter, mit denen wir nur über Email Kontakt hatten, meinen, das sei eben Waikiki. Sie sorgen aber wenigstens umgehend für die Reparatur einer von Anfang an ausgehängten Schiebetür zur Toilette. Auch das Parken ist ein Problem, wie wir nach unserer Rückkehr von Big Island feststellen müssen: in der 35$ pro Tag teuren Tiefgarage gibt es keine Plätze mehr, eine vorherige Reservierung hatte die inkompetente Dame an der Rezeption nicht zustande gebracht. Die empfohlene Ausweichmöglichkeit ist ebenfalls voll, und so finden wir schließlich mit Hilfe freundlicher Parkhauswächter und -wächterinnen eine Abstellmöglichkeit, auf die wir eigentlich keinen Anspruch hätten.
Abends noch Einkauf in einer japanisch geführten Grocery , um zuhause feststellen zu müssen, dass der Toast verschimmelt ist. Aber in der Not schmeckt bekanntlich die Wurst auch ohne Brot.
So war die Ankunft in Hawaii also alles andere als ein Traumstart. Am Morgen ist der Himmel weiter bedeckt, einige Wolkenlöcher, relativ starker Wind. Ein Spaziergang an der Bucht, barfuß im Sand, ein Kaffee unter blühenden gelben Hibiskusbäumen sind trotzdem drin. Auch finden wir ein Postamt, von wo wir M.s versehentlich mitgenommen Hausschlüssel zürückschicken können.
Dann fahren wir zum Diamond Head. Gerade mal 232m erhebt sich der Gipfel als höchster Punkt eines alten Kraterrings mit gut einem Kilometer Durchmesser über die Stadt und die Südostküste. Der Aufstieg ist manchmal recht steil, und da dort oben früher militärische Anlagen waren, verläuft er zum Teil durch Tunnels und über Treppen. Wir sind an Klettersteige in Befestigungen aus dem 1. Weltkrieg in den karnischen Alpen erinnert, durch die wir vor 30 Jahren den Kleinen Pal und den Cellon/Frischenkofel erstiegen haben.
Die Aussicht ist sehr gut, auch wenn die Berghänge weiter wolkenverhangen sind. Unten ein malerischer Leuchtturm, felsige Steilküste nach Osten hin. Honolulu ist eine amerikanische Stadt: Hochhauskonglomerate, daneben etwas ältere Bebauung, Einfamilienhäuser, viele Bäume an den Straßen, Villenviertel, die sich in die Wälder und Buschzonen der Hügel hinaufziehen. Bei strahlendem Sonnenschein und blauem Meer wie auf den Postkarten wäre das alles wahrscheinlich freundlicher anzusehen. Der Name „Diamond Head“geht übrigens auf englische Seeleute zurück, die eben bei gutem Wetter die blitzenden Kalzitkristalle in den Felsen für Diamanten gehalten haben.
Beim Blick auf den Leuchtturm frage ich Amerikaner, ob es neben dem Wort „lighthouse“ auch die Vokabel „beacon“ gebe, denn wir hatten in der Schule im Englischunterricht eine kleine Zeitschrift mit diesem Titel und einer Leuchtturmvignette daneben. Sie kennen das Wort, das aber eher im übertragenen Sinn wie „a beacon of science“ gebraucht werde. Später in Neuseeland taucht es in seiner ursprünglichen Bedeutung auf vielen historischen Erklärungstafeln auf.
Bevor es dunkel wird, halten wir noch an einem eindrucksvollen Blowhole. Bis zu 10m hoch wird das Wasser der Brandung wie ein Geysir aus einer unterseeischen Höhle durch ein Loch in deren Decke nach oben geschleudert, und da wir in der Windrichtung stehen, bekommen wir den Sprühnebel des öfteren mit. Ein paar Minuten später möchte unser Handy schon eine Bewertung unseres Eindrucks!? Da wir mit der Google-Karte als Navi fahren, sind wir offensichtlich völlig transparent. Das Kartenbild ist zwar etwas gewöhnungsbedürftig, aber mit einer so exzellenten Kopilotin wie S. lassen sich sogar die oft recht lustigen deutschen Ansagen deuten: die komplizierten hawaiianischen Namen sind schwer wiederzuerkennen, und im Englischen wird aus der 6th Avenue die „sechsTH Ävenju“, aus der 22ndStreet die „zweiundzwanzigND striet“ und aus der McCully Street die „MCC Alli-Striet“!
Abends essen wir in einem Foodcourt uns unbekannte japanische Kleinigkeiten, die aber keinen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Am nächsten Tag fahren wir durch den Sattel in der Mitte der Insel nach Norden. Wir halten an der Dole- Plantation, wo die Kultivierung der Ananas in Hawaii begonnen hat. Die Informationen in den Außenanlagen genügen uns: die Urpflanze stammt aus Paraguay, ein Setzling wächst in 22 Monaten zur Erntereife heran, zwei weitere Ernten innerhalb von fünf Jahren sind möglich, bevor das Feld wieder umgebrochen wird. Man soll übrigens seine eigene Pflanze aus der Krone einer frischen Frucht ziehen können!(2)
Sanford Dole, dessen Produkte wir alle schon verzehrt haben, ist einer der Hauptverantwortlichen dafür, dass Hawaii heute ein Staat der USA ist. Er steckte 1893 hinter dem Staatsstreich, mit dem die letzte Königin entmachtet wurde3. Die USA intervenierten mit Truppen und annektierten den Archipel 1898.
Die Inseln waren von polynesischen Seefahrern zwischen 200 und 800 n. Chr. besiedelt worden (4). Diese lebten in einer Vielzahl von kleinen Stammeskönigreichen und bekriegten sich häufig. Um 1810 unterwarf der König Kamehamea I. die Rivalen und gründete das auch von den USA und den wichtigsten europäischen Mächten anerkannte Königreich Hawaii, das also ein knappes Jahrhundert Bestand hatte.
Für Europa entdeckt hatte die Inselgruppe vermutlich der Spanier Juan Gaetano 1527. James Cook wurde auf seiner 3. Weltumseglung zunächst freundlich empfangen, dann aber am 17.2.1779 bei Auseinandersetzungen mit den Einwohnern auf der Hauptinsel erschlagen. Cook hatte den Archipel übrigens Namen Sandwich-Islands genannt nach einem britischen Adeligen, der seine Expeditionen mit finanziert hatte. Später trieben Robbenjäger und Walfänger ihr Unwesen, die von ihnen und Cooks Matrosen eingeschleppten Krankheiten dezimierten die Bevölkerung von 300 00 auf 50 000. Missionare verschiedenster christlicher Konfessionen folgten, deren Wirken auch sehr unterschiedlich beurteilt werden kann.
Schon im 19. Jahrhundert wanderten viele Chinesen, Japaner und Portugiesen ein, die zunächst die wichtigsten Arbeitskräfte in der Landwirtschaft (Zuckerrohr und später Ananas) waren. Heute setzt sich die Bevölkerung folgendermaßen zusammen: 38.6% asiatischen Ursprungs (Filipinos, Japaner und Chinesen); 22.7% nicht hispanische Weiße, 23.6% Mischlinge aus zwei oder mehr Rassen, 10.0% eingeborene Hawaiianer und andere Polynesier, 8.9% Hispanics und Latinos,1.6% African Americans; 1.2% andere Rassen und 0.3% Native Americans und Alaska Natives. Damit ist Hawaii der einzige US-Staat mit einer Mehrheit von Menschen asiatischer Herkunft, was man zumindest in Honolulu auch im täglichen Leben deutlich sieht.
Wenngleich die „Ureinwohner“ also eine Minderheit bilden, ist ihre Sprache zumindest in einigen Floskeln allgegenwärtig. Überall wird man mit „Aloha“ begrüßt, und statt „thank you“ sagen die meisten „mahalo“. Ein Großteil der Straßennamen hawaiianische Wurzeln und ist für uns nicht leicht zu behalten bzw. zu unterscheiden: Ka´iulani, Pa´u, Kalimoku, Nahaku und Kapiolani. Der Akzent ist mehr ein Trennungszeichen im Wort, Hawaii wird richtig Hawai´i gesprochen.
Die Dörfer an der Nordküste sind eher klein, die mittelstark befahrene Straße führt zwischen den Ansiedlungen und fast menschenleeren Buchten hindurch. Auf den Parkplätzen laufen Hühner herum, die Bäume zeigen mit ihrer Neigung die vorherrschende Windrichtung (West) an, die Brandung schäumt an Lavafelsen auf und rollt auf dem Sand aus.
Unser Hauptziel an diesem Tag ist das Polynesian Cultural Center in Laie, das uns der junge Mann aus Tonga im Flugzeug so empfohlen hatte. Dort hatten wir eine Gruppenführung mit abschließenden Lu´au(hawaiianisches Gastmahl) gebucht. In der von der mormonischen Universität gegründeten Einrichtung werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Lebensweise und Kultur von sechs wichtigen Inselgruppen dargestellt: Hawaii, Fidschi, Samoa, Tonga, Tahiti und Aoteroa (Neuseeland). In den jeweiligen „Dörfern“ zeigen Menschen dieser Herkunft Tänze und Kulturtechniken, erklären Besonderheiten und versuchen die Besucher z.T mit einzubeziehen. Zwar wurde niemand aufgefordert, mit den Samoanern auf die Palme zu klettern, um Kokosnüsse zu ernten, aber Tanzschritte des Hula5 oder die so einfach aussehenden Geschicklichkeitsspiele der Maori sollten wir ebenso versuchen wie Kleinigkeiten aus der samoanischen oder tahitianischen Küche. Die Protagonisten kehren nach einigen Jahren im Austausch gegen andere Landsleute meist wieder in ihre Heimat zurück.
Begleitet werden die Gruppen von sehr kenntnisreichen Führen6. Unserer stammte von den Philippinen, die – wie wir später lernten – zu den Gebieten gehörten, von denen die große polynesischen Wanderungen ursprünglich ausgingen7. Die Gruppe war sehr nett, aber etwas groß, da über die Hälfte der Teilnehmer Mitglieder einer amerikanischen Geburtstagsparty waren. Wir hatten Spaß und konnten viel über einen uns doch ziemlich unbekannten Kulturkreis lernen, was beim Aufenthalt in Fidschi und auch Neuseeland später recht nützlich sein sollte. Ein bisschen touristisches amerikanisches Ballyhoo gehört natürlich auch dazu, besonders bei der Darstellung der Schöpfungsmythen und der Geschichte auf vorbeifahrenden Flößen.
Mit Einbruch der Dunkelheit beginnt das Lu´au in einer großen Halle. Man begrüßt uns mit einem Lei aus Orchideen. Das Essen vom Büffet ist wirklich gut, besteht vornehmlich aus hawaiianischen Speisen, auch gibt es Schweinefleisch aus dem „imu“, dem Erdofen, den wir bald wieder kennenlernen sollten (Fidschi und Neuseeland). Zwischen den Gängen ziehen Menschen in den Kostümen der letzten Königin Liliʻuokalani und ihres Hofstaatsein, begleitet von Musik, die die Monarchin selbst komponiert hatte8
Der Abend endete mit einer musical-ähnlichen Show im großen Theatersaal: Ha -Breath of Life. Es ist die Darstellung einer pazifischen Inselsaga von der Geburt bis zum Tod, mit allen Höhen und Tiefen eines Lebens. Manchmal sind um die 100 Darsteller auf der Bühne, sie tanzen, sangen, führen Schaukämpfe und erstaunliche Feuerkunststücke vor9
Die gut einstündige Rückfahrt über unbekannte nächtliche Straßen, zum Teil mit Umleitungen wegen Schäden durch Überschwemmungen wenige Tage zuvor, ist dann etwas anstrengend.
Am nächsten Tag soll unser zweitägiger Abstecher auf die Hauptinsel Hawaii, allgemein Big Island genannt, beginnen. Wir sehen zum ersten Mal einige wolkenfreie Bergkämme und überwiegend blauen Himmel. Damit sind wir also schon auf der Gewinnerseite, denn die Wettervorhersage hatte für die ganze Woche Regen prognostiziert. Die Hawaii-Klischees sind ja ganz anders! Aber was heißt das schon: Natürlich gibt es hier Bier, sogar von lokalen Brauereien. Nur Toast Hawaii haben wir auf keiner Speisekarte gefunden, denn er ist bekanntlich eine deutsche Erfindung der 50er- und 60er-Jahre und gehört in die Kategorie Nierentisch und Clubsessel.
Am Flughafen konfisziert der Zerberus an der Sicherheitskontrolle zunächst S. kleines Schweizermesser, kaum drei Zentimeter lang, das schon Dutzende von Checks in Europa und den USA ohne Probleme überstanden hatte; er braucht wohl wieder mal ein Erfolgserlebnis, Diskussionen zwecklos. Während des nicht ganz einstündigen Fluges bieten sich hervorragende Tiefblicke auf MaunaLoa und MaunaKea, die beiden über 4000m hohen Hauptvulkane der Insel. Sie sind, da sie über 5000m weiter ins Meer abfallen, in der Fuß-Gipfel-Messung die höchsten Berge der Erde! An der Ostseite stauen sich allerdings die Wolken, und so ist es in Hilo bedeckt, bald auch regnerisch.
Wir fahren gleich zum Volcano-Nationalpark, orientieren uns im Besucherzentrum und essen eine Kleinigkeit in einem Restaurant mit Blick über die riesige Caldera. Als wir dann den Crater Rim Drive zum Meer hinunterfahren wollen, werden Wetter und Sicht immer schlechter, und so beschränken wir uns auf ein paar kurze Spaziergänge im nassen Tropenwald, auf Lavafeldern und zu schwefelstinkenden Fumarolen. Hier sehen wir auch die ersten Baumfarne auf unserer Reise.
Bevor wir ganz durchnässt waren, entschliessen wir uns zum Weiterfahren in der Hoffnung auf bessere Bedingungen am nächsten Tag. Zunächst kaufen wir im Dorfladen von von Volcano Village noch ein paar Lebensmittel ein – die Ansiedlung ist wohl unabhängig vom Wetter nie besonders attraktiv, bei Regen aber der Inbegriff von gottverlassen und trostlos – dann fahren wir nach Waiohinu, wo wir über Airbnb die „southernmost cottage of the USA“ gemietet haben. Auf einsamer schnurgerader Straße geht es durch mit Bäumen und Buschwerk überwucherte Lavafelder, Verkehrsschilder mahnen zur Vorsicht, falls die seltenen Hawaiienten (Anas wyvilliana) die Straße überqueren sollten (taten sie aber nicht).
Unser Domizil für die eine Nacht ist ein geräumiges Gartenhäuschen , in dem es an nichts fehlt. Es ist so herrlich ruhig! Die Vermieter sind nett, wir kommen aber über Smalltalk nicht hinaus. Unter den Büchern im Schlafzimmer sind zwei Fotobände von einer Marion Kässbohrer. Es stellte sich heraus, dass es sich um eine Tochter des früher sehr bekannten Ulmer Fahrzeugbauers handelt, die in Kalifornien Nachbarin unserer Gastgeber war. Denen erkläre ich, dass der Name übersetzt “cheesedriller“ bedeutet und es in meiner Kindheit im Allgäu ein beliebter Scherz gegenüber Kindern und Touristen war, die nach der Herkunft der Löcher im Emmentaler Käse fragten, auf besagte Firma zu verweisen, die sich darum kümmere. Die Vermieter kannten von Besuchen die Ulmer Gegend, der Mann war auch längere Zeit in Grafenwöhr stationiert gewesen.
Am nächsten Morgen scheint die Sonne, und wir machen zuerst einen Ausflug an die Südküste. Felsklippen, dazwischen Sandstrände, hohe Wellen. Dann orientieren wir uns wieder Richtung Nationalpark und können die Straße bis zum Meer hinunterfahren: am Rand imposante Krater, schon wieder üppig bewachsen, obwohl meist erst in den letzten Jahrzehnten entstanden, Ausblicke auf die sanderartige Küste, an einem Haltepunkt auch Messgeräte, die im Falle zu hoher SO²– Konzentrationen eine unverzügliche Warnung mit Räumung des Parks veranlassen würden. Unten ist die Weiterfahrt dann blockiert: bis 2018 sind dort Lavaströme ins Meer geflossen, was vor allem nachts ein beeindruckendes Schauspiel gewesen sein muss. Es gibt eine Art botanischen Lehrpfad, und zum ersten Mal auf dieser Reise lernen wir, dass viele eingeschleppte Arten das biologische Gleichgewicht erheblich gefährden.
Die Brandung hat Felstore geformt, die ein beliebtes Fotomotiv sind, aber wahrscheinlich den weiteren Ansturm des Meeres nur wenige Jahre oder Jahrzehnte aushalten werden. Dann bilden sich wieder mehr und mehr Wolken, der Wind nimmt zu, die Ausblicke zeigen bei der Rückfahrt zum Teil oft einen anderen Landschaftscharakter. Ganz oben regnet es schon wieder.
Dieser Regen auf der Luvseite der Insel ist neben den subtropischen Temperaturen verantwortlich dafür, dass die Vegetation hier so üppig gedeiht. Wir haben die Auswirkungen des Klimas auf Vulkangebiete an sehr unterschiedlichen Stellen gesehen: hier auf Hawaii, später in Neuseeland und während anderer Reisen auf Lanzarote und Island. Auf der Kanareninsel liegen die Eruptionen fast dreihundert Jahre zurück, sie haben eine wüstenartige Landschaft hinterlassen, in der nur alle paar Meter ein kümmerliches Pflänzchen zu finden ist, Folge des fehlenden Wassers. In Island dagegen wachsen bald wieder Flechten, Moose, Gräser und sogar niedrige Weiden und Birken. Hier und auf der neuseeländischen Nordinsel wuchern tropische und subtropische Pflanzen, beschleunigen die Erosion derart, dass schon nach nicht einmal einem Jahrhundert kaum mehr etwas von der zerstörerischen Gewalt der Explosionen, Lavaströme und Ascheregen zu sehen ist.
Wir müssen zurück nach Hilo, einem sehr gemütlichen „international airport“. Dieses Signum hat er wohl, weil gelegentlich Flüge aus Canada ankommen. Wir geben das Auto ab, beobachten in der Wartezone bei hereinbrechender Dunkelheit einen Gecko an der Fensterscheibe und sind bald wieder im Trubel von Honolulu. Den dortigen Abendstress mit der Parkplatzsuche habe ich weiter oben beschrieben.
Ein langer Tag wartet auf uns, zunächst packen und die Wohnung räumen, ohne Wehmut. Dann wollen wir nach Pearl Harbor.
Ein Ort der Weltgeschichte, landschaftlich schön gelegen, was man bei unseren verschiedenen unfreiwilligen Anfahrtsvarianten über die verwirrenden Highways immer wieder sehen kann. Und ich bin gespannt, wie die offizielle amerikanische Präsentation ausfallen wird.
Irgendwann finden wir einen Parkplatz, dann „entsorgen“ wir unsere Orchideen-Leis. Diese Willkommensgeschenke darf man nicht einfach wegwerfen: man gibt sie mit Dank zurück oder drapiert sie in der freien Natur so wie wir.
Nachdem ich meine Kamera „ausgezogen“ und die Tasche zurück ins Auto gebracht hatte, dürfen wir die Sicherheitsschleuse passieren und die Gedenkstätte betreten. Der größte Teil der Anlage ist frei zugänglich, Eintritt kosten nur die Besichtigung des U-Boots „Bowfin“ sowie das Luftfahrtmuseum und die Schiffsfahrt zur „Missouri“, unseres Erachtens verzichtbar. Die Darstellung der Ereignisse auf den Erklärungstafeln und im Museum ist faktenbezogen und nicht heroisierend. Auch das Schicksal der Amerikaner japanischer Herkunft, die bekanntlich oft mehrere Jahre interniert wurden, und zivile Opfer durch die Abwehrmaßnahmen finden Erwähnung.
Dennoch bleibt mein Eindruck zwiespältig. Ich kann einfach mit Begriffen wie „valor“ (Heldenmut) und „ultimate sacrifice“ in diesem Zusammenhang wenig anfangen, und die vor allem in Japan ausgiebig geführte Diskussion, ob der Angriff – wegen der verspätet übergebenen Kriegserklärung – völkerrechtswidrig war oder nicht, zeigt, dass viele Menschen keine wirklichen Lehren aus den Geschehnissen ziehen können. Das „Tree of Life“- Monument, entworfen von dem emigrierten und in den USA zunächst internierten österreichischen Architekten Alfred Preis, hat sicher eine andere Intention.
Auch heute ist die militärische Präsenz auf Hawaii groß: ca. 50 000 Soldaten und über 100 000 Zivilangestellte sind auf 11 Stützpunkte verteilt, und auf den zivilen Flughäfen gibt es jeweils gesonderte Schalter und Eingänge für die Army-Angehörige.
Wir fahren dann zur Westküste: lange Sandstrände, gelegentlich unterbrochen von Landzungen aus vulkanischem Gestein. Auf einer dieser Halbinseln finden wir viele Grabplatten, aber hier ist niemand beerdigt, sondern es war der Wunsch der Verstorbenen, eine Erinnerungstafel an einem Ort zu haben, wo sie zu Lebzeiten gerne gewesen sind. An den Stränden ein paar Schwimmer, viel Familienleben in wegen des Windes bitter notwendigen Zelten. Die Cafes sind meist geschlossen, aber in einem Starbucks mit viel zu lauter Musik bekommen wir doch einen Imbiss.
Dann wollen wir einen der berühmten Sonnenuntergänge sehen und dafür den Berghang hinauffahren, aber der Navi führt uns nur im Kreis herum, entlang dem Zaun eines Flugplatzes, durch Hinterhöfe. So geht es zurück an den Strand.
Ein kühler Wind streicht vom Land zum Meer
und wiegt das gleißende borstige Gras.
Die Sonne verschenkt ihr letztes Licht
an Wellenkämme und Treibholz.
Aus Rot und Grau wird silbriges Blei,
doch die Gischt bleibt weiß.
Die Leis am Baum grüßen die Nacht
und warten auf neuen Glanz am kommenden Tag.
Dort, wo die Sonne versinkt, gesprenkelt von Wolkenstreifen,
vermählen sich West und Ost.
Es war eindrucksvoll, aber nicht spektakulär. Schnell wird es ganz dunkel, und wir fahren zum Flughafen. Das Auto können wir problemlos zurückgeben, und dann beginnt das Warten. Der Flug nach Fidschi geht um 2°° am Sonntagmorgen, andere Nachtstarts stehen nicht auf den Anzeigetafeln. Ein immer leerer werdender Flughafen, alles geschlossen, natürlich noch keine Möglichkeit, das Gepäck abzugeben und einzuchecken. Man sucht sich eine Sitzgelegenheit, ein bisschen Smalltalk mit den Nachbarn. Mit Schlafen ist nichts, da die Wege mit Waschbetonplatten belegt sind und jeder Rollkoffer einen Heidenlärm macht, bis seine Besitzer auch ein Plätzchen gefunden haben.
Irgendwann werden die Schalter geöffnet, wie viele andere müssen wir noch etwas umpacken, da die Gewichtslimits andere sind als auf der Homepage angegeben. In der Boardingzone sind Stühle rar, man lagert auch auf dem Fußboden. Aber wenigstens fliegen wir nicht mit der berüchtigten Boeing 737R, die noch auf dem Ticket steht, derzeit aber nicht eingesetzt werden darf. Pünktlich heben wir ab und sind nach gut 5 Stunden am Montagmorgen in Nadi!
(1) Amerikanische Hotels haben meist keine 13. Etage, manchmal eine "12a", und wenn doch, sind dort Einrichtungen wie die Lager des Housekeepings etc. untergebracht
(2) Im Internet finden sich Dutzende von Anleitungen. Die wären sogar in Alaska umsetzbar, womit F.J.Strauß seine posthume Beschäftigung hätte!
(3) Für den Staatsstreich haben sich die USA unter Präsident Clinton 1993 offiziell entschuldigt, nicht aber für die Annexion. Es gibt eine politische Unabhängigkeitsbewegung, die auch dafür sorgen will, dass Hawaii auf die UN-Liste der „nicht selbst-regierten Territorien“ kommt.
(4) Die genauen Daten sind umstritten. Beeindruckend bleiben die Navigationskünste dieser Seefahrer, die mit Auslegerkanus unterwegs waren und sich nach Sternen und der Sonne, Wolken, Strömungen, dem Vogelflug richteten.
(5) Hula-Tänze sind Erzählungen, z.T. mit mythologischem oder familiärem Inhalt, begleitet von Sprechgesang. Sie haben in der hawaiianischen Tradition einen hohen Stellenwert.
Mit dem vielen von uns aus Kindheit und Jugend bekannten Hula Hoop-Reifen haben sie nur insofern zu tun, als bei der Revitalisierung und Plastifizierung eines weltweit verbreiteten und uralten Kinderspielzeugs die Ähnlichkeit mit einem der über 30 Tanzschritte namensgebend wurde.
(6) Diese sind meist Studenten der mormonischen Brigham Young University – Hawaii, die 1954 zunächst als Ableger der gleichnamigen Institution in Provo (Utah) gegründet wurde. Die Einrichtung des Kulturzentrums sollte diesen Studenten die Möglichkeit eines bezahlten Jobs bieten. Ein wichtiges Ziel der BYU ist der Unterricht in polynesischen Sprachen zur Optimierung der Missionstätigkeit in diesen Ländern. Zwar gehört die überwiegende Mehrheit der Studenten der „Church of Jesus Christ of Latter-Day Saints“ (LDS) an, dies ist jedoch keine Voraussetzung für das Studium dort.
(7) Mehr darüber in den „Südseeträumen“
(8) Ihr berühmtestes Lied ist „Aloha ´Oe“.- Hawaiianische Volksmusik hört man natürlich allenthalben, besonders authentisch bei Hula-Tanzvorführungen mit Trommelbegleitung, aber auch vermischt mit anderen Musikstilen als Hintergrund in Restaurants, im Flughafen usw. Mir fiel dabei der häufige Wechsel zur Kopfstimme auf, was natürlich sofort Erinnerungen an alpenländische Volksmusik wachrief.- Die Ukulele ist übrigens eine Weiterentwicklung einer von portugiesischen Landarbeitern im 19. Jahrhundert mitgebrachten 4-saitigen Gitarre.
4Fotografieren war da natürlich verboten. Unter https://www.polynesia.com/ha-show kann man sich einen kleinen Eindruck verschaffen.